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Bankraub einmal andersrum - Teil I

Dr. Michael Grandt

Ist Zypern der Eisberg für die Eurotanic?

Die Schockwellen des Zypern-Coups gingen sofort durch alle Medien. Buchstäblich über Nacht standen die Zyprioten vor geschlossenen Banken. Sie hämmerten wütend auf Geldautomaten, die jede Auszahlungen verweigerten oder saßen fassungslos vor ihren Computern, die keinen Zugang mehr zum Online-Banking bekamen.

In dieser Nacht ging die Eurokrise in eine neue Phase über. Gerade war das neue Rettungspaket von 10 Mrd. € verkündet worden, und Zypern atmete auf. Doch die folgende kalte Enteignung traf die Menschen unvorbereitet. Diese Nachricht schlug in ganz Europa ein, wie eine Bombe. Ganz besonders in den Südstaaten der EU werden die Leute hoch nervös. Würde es ihnen ähnlich ergehen? Schließlich baumelt Spanien seit einiger Zeit am Rande eines Bankenzusammenbruchs. Die Regierung Rajoy schiebt ein Rettungsgesuch an Brüssel immer noch vor sich her. Seit Zypern darf man getrost davon ausgehen, dass ein spanisches Gesuch um Bankenrettung noch genauer durchdacht wird.
 

„Sensible“ deutsche Politiker

Es gibt kaum einen schlimmeren Vertrauensbruch, als zum Wochenende unangekündigt die Bankkonten einzufrieren, jeden Zugang zu sperren und dann eine tagelange „Bankenschließung“ anzukündigen. Die hilflose Wut der Geprellten ist enorm. Insbesondere, weil die zypriotischen Politiker dem Volk mehrfach versicherten, niemand müsse um sein Geld fürchten. Man könne beruhigt sein Geld auf der Bank lassen. Erinnert Sie das an etwas?

Das öffentliche Fernsehen auf Zypern berichtete, der deutsche Finanzminister Schäuble habe eigentlich eine Zwangsabgabe von 40% auf alle Bankguthaben gefordert. Auch der IWF habe eine ähnlich brutale Enteignung verlangt.

Das ZDF sendete Schäubles zynischen Kommentar zu der Enteignungsaktion: „Bankeinlagen sind eine sensible Sache, da muss man schnell handeln, daher macht man es am Wochenende.“ Herr Schäuble findet die Plünderung der Bankkonten von Rentnern und Kleinsparern in Ordnung. Das ist ab jetzt anscheinend ganz normaler Umgang mit den Menschen in der EU. Man geht zu offener Enteignung als Instrument der Bankenrettung über.

Am Dienstagnachmittag gab Frau Merkel die „Kanzlerin Gnadenlos“. Sie ließ wissen, die Bundesregierung „erwarte die Umsetzung des Zypern-Handels“ und das sofort. Erst, wenn ein Ergebnis erzielt werde, dürfen die Banken wieder öffnen. Gibt es keine Enteignung der Sparer, gibt es kein Hilfspaket, e basta. Frau Merkel entscheidet, ob und wann die Zyprioten an ihr eigenes Geld kommen. Wundert es Sie da, dass auf Zypern plötzlich Hass auf Deutschland aufkommt und die deutsche Botschaft gestürmt wird?

Glauben Sie tatsächlich, dass dasselbe in Deutschland nicht möglich wäre? Und vertrauen Sie wirklich der neuerlichen „Garantie“ Frau Merkels, die deutschen Sparkonten seien sicher? Nein? Dazu haben Sie auch allen Grund. Doch dazu mehr im nächsten Teil. Doch zunächst die historische Entwicklung dieses Desasters. Ich versuche die komplizierte Materie dabei vereinfacht darzustellen.
 

Wie es dazu kam

Seit 2008 schwärt die Bankenkrise, die sich zu einer Staatsschuldenkrise ausweitete, ohne dass die Bankenkrise je gelöst wurde. Die Abläufe wiederholen sich ständig auf's Neue:
 

• Vor allem US-Banken benutzten die Einlagen ihrer Kunden, um zu zocken. Sie kauften damit Finanzprodukte höchst windiger Art, die aber hohe Gewinne versprachen. Zum Beispiel mehrfach gebündelten und umstrukturierten Hypothekenpapiere, die sich als Pakete von vollkommen wertlosem Schrott herausstellten, weil die Schuldner am anderen Ende nicht zahlen konnten.

• Solange diese Papiere ständig herumgereicht werden, wieder zu neuen Finanzprodukten umdekoriert und schön verpackt und weiterverkauft werden, funktioniert das globale Spiel. Irgendwann kauft niemand mehr den Schrott, weil schon genug von diesen „toxischen Papieren“ in den Büchern lauern.

• Die Menge der Giftpapiere, in den Bankenbilanzen immer noch als werthaltige Assets (Anlagegüter) verbucht, ist irgendwann so groß, dass die Geldinstitute ihre Bilanzen nicht mehr bereinigen können. Sie wären sofort pleite.

• Also „retten die Staaten ihre Banken“. So konnte und kann man Zusammenbrüche, Panik und Bankenruns vermeiden, und alles bleibt ruhig.
 

So geht es seit 2008. Es wird Geld gedruckt, als gäbe es kein Morgen mehr. Die EZB finanziert Staatshaushalte via Anleiheankauf und schießt Billionen in marode Banken. Die Menschen gewöhnten sich an die „Retterei“, das Leben geht wie gewohnt weiter. Bis jetzt.


In Zypern zündet die EU eine Bombe


Jetzt ist das zypriotische Bankensystem bankrott. Doch die „Insel der Götter“ im Mittelmeer ist viel zu klein, um seine überdimensionierten Geldhäuser zu retten. Dort liegen nämlich Unmengen an russischem Schwarzgeld, Oligarchenvermögen und Geld britischer Finanzinstitute.

Zypern fungiert als Steueroase und Geldwaschplatz. Das wäre auch weiterhin gut gegangen, wenn sich die Banken dort nicht verzockt hätten. Der griechische Teil der kleinen Insel, der nur 0,2% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) der EU ausmacht, brauchte plötzlich 10 Mrd. € zur Rettung der Banken. Denn der Staat Zypern selbst ist damit vollkommen überfordert, und müsste den Staatsbankrott erklären. Ein Hilfspaket musste also her.

Im Fall Zypern lief das altbekannte Ritual der Bankenrettung aber plötzlich ganz anders ab. Stellen Sie sich einfach einmal vor, was dort gerade passiert geschähe mit Ihren Bankkonten:
 

• Sie als Kunde würden zur Bankenrettung gezwungen. Ihre Konten würden unangekündigt über Nacht eingefroren, Transaktionen und Abhebungen tagelang unmöglich. Sie kommen nicht mehr an Ihr Geld.

• Einlagen von über 100.000 € werden mit einer (bis jetzt) 10%igen Zwangsabgabe belegt. Man nimmt Ihnen einfach so 10.000 € weg. Das ist schlicht und einfach eine Enteignung. Was mit den Guthaben unter 100.000 € geschieht ist noch nicht sicher.

• Aber es gibt bereits Pläne, dass auch der Dispokreditrahmen mitgezählt wird. Hätten Sie also zum Beispiel 10.000 € Guthaben und einen Dispo von 5.000 €, würden Ihnen einfach 6,75% von 15.000 € abgebucht, macht 1.012,50 €. Weg sind sie!

• Damit wird die Einlagegarantie der EU auf Spareinlagen von bis zu 100.000 € schlicht und einfach gebrochen. Denn für Zwangsabgaben gilt sie nicht. Das ist eine neue Qualität der Rechtsbrechung in der EU.


Zu hoch gepokert - die Zyprioten spielen nicht mit!

In der Woche bevor die EU die Zwangsabgabe für Zypern verordnete, sollen fast 4,5 Mrd. € von der Insel weg transferiert worden sein. Vor allem Politiker und Verwandte und Freunde von Regierungsmitgliedern sollen ihr Insiderwissen genutzt, und ihre Schäfchen ins Trockene gebracht haben.

Viele der schwerreichen ausländischen Bankkunden – insbesondere solche russischer Nationalität – sollen ihr Geld ebenfalls rechtzeitig abgezogen haben. Sie wurden offensichtlich gewarnt. Das ist nur zu verständlich: Solche Leute verärgert man sich besser nicht.

Am späteren Dienstagabend berichteten die Medien, dass das Parlament in Nikosia die Bedingungen für die Bankenhilfe abgelehnt habe. Mit 36 Stimmen gegen das Verhandlungspaket und 19 Enthaltungen gab es keine einzige Für-Stimme. Der Enteignungs-Deal zur Rettung des Euro in Zypern war abgelehnt.

In Brüssel fielen die Kinnladen baumelnd auf Kniehöhe herunter. Blankes Entsetzen und Ratlosigkeit in den Gesichtern. Damit hatte keiner gerechnet. Der Krimi um Untergang oder Rettung Zyperns geht weiter.

Lesen Sie im 2. Teil: Wird die EU die Insel vor die Wahl „Friss oder stirb“ stellen? Kann die Eurozone an Zypern zerbrechen? Ist Russland möglicherweise ein As im Ärmel Zyperns?



Dr. h.c. Michael Grandt, Jahrgang 1963, arbeitet seit 1992 als Publizist, Dozent und Fachberater für die Themenbereiche Wirtschaft, Finanzen und Zeitgeschichte. Er hat an zahlreichen Fernsehreportagen u.a. für BBC, Channel 4, ORF, RTL, SAT 1 und PRO 7 mitgearbeitet und ist in vielen TV-Talkshows als Experte aufgetreten.

Michael Grandt hat über 1.000 Contents verfasst und bisher 24 Bücher publiziert. Seine Werke „Der Crash der Lebensversicherungen“; „Der Staatbankrott kommt!“, „Europa vor dem Crash“ (mit Udo Ulfkotte und Gerhard Spannbauer), „Der Euro-Crash kommt“, in denen er die Euro-Krise schon vor Jahren präzise vorausgesagt hat, waren und sind seit Monaten auf den Bestsellerlisten von Spiegel, Handelsblatt und Manager-Magazin. Sein neues Buch „Vorsicht Lebensversicherung!“ ist jetzt im Buchhandel erhältlich.
Im GeVestor-Verlag gibt er seit kurzem seinen eigenen Börsenbrief „Unter vier Augen – Wissen, was andere nicht wissen“ heraus https://www.gevestor.de/shop/details/unter4augen.html , der die Vermögenssicherung fokussiert.

2005 wurde Dr. Grandt die Staufermedaille für besondere Verdienste für das Land Baden-Württemberg und 2011 die Ehrendoktorwürde der staatlichen rumänischen Universität Pitesti verliehen. Er hält erfolgreiche Vorträge zu den Themen Finanzen und Wirtschaft. Mehr über seine Arbeit finden Sie unter www.michaelgrandt.de.