Wertloses in Wertvolles umwandeln (1)
Dr. Michael Grandt
Schon unser Nationaldichter Goethe hat die Schaffung von ungedecktem Fiatgeld vorhergesagt. In seinem Monumentalwerk »Faust II« hat er aber auch eine Alternative zur Inflation aufgezeigt und zwar durch eine Wertschöpfung ohne Arbeit.
Was Sie vielleicht nicht wissen können ist, dass Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) nicht nur ein genialer Poet, sondern auch ein exzellenter Natur- und Wirtschaftswissenschaftler war. Er hatte ökonomische Literatur studiert und war darüber hinaus zehn Jahre lang als Wirtschafts- und Finanzminister am Weimarer Hof tätig.
Schon vor rund 200 Jahren gelang es ihm, komplizierte wirtschafts- und finanzpolitische Prozesse mit einer Schärfe zu durchdringen und Prognosen zu wagen, die heute noch bewundernswert und lehrreich sind.
Die »Entgoldung« des Geldes
Nur der Nationalökonom Hans Christoph Binswanger hat es bisher gewagt, Goethes Werk, vornehmlich den »Faust II«, ernsthaft auf wirtschafts- und finanzpolitische Exegesen hin zu analysieren. Er schreibt in seinem exzellenten Buch »Geld und Magie dass die moderne Wirtschaft die »Fortsetzung der Alchemie mit modernen Mitteln«, quasi eine »Schöpfungs-Tat« ist (*). Entscheidend dabei ist, dass eine wertlose Substanz in eine wertvolle verwandelt. Zum Beispiel Papier in Geld.
Im »Faust« geschieht dies durch die Deckung von Geldnoten durch nicht gehobene Bodenschätze und die Legalisierung der Noten durch die Unterschrift des Kaisers. Damit soll dem Volk stoffwertlose Noten anstelle des Goldes schmackhaft gemacht werden. Der Kaiser höchstpersönlich räumt dabei den Banken das Privileg ein, Banknoten auszugeben und so Papiergeld zu schaffen. Heute erhalten Banken die Lizenz, Buchgeld zu schaffen vom Staat.
Es geht also um die Vorstellung, dass vergrabene Schätze das Papiergeld decken, und um den Eindruck, dass die staatliche Macht das Papiergeld legitimiert. Kurz: um die »Entgoldung des Geldes«.
Die Unterschrift des Kaisers auf wertlosem Papier macht dieses somit zu einem Zahlungsmittel, analog dem Recht zum Gelddrucken der Notenbanken ohne Gegendeckung. Goethe hat in seinem »Faust« also bereits die Schaffung von künstlichem Geld (Fiatgeld) vorhergesagt – und zwar unabhängig vom Gold, so wie es die Zentralbanken heute tun. Die Wertschöpfung aus dem Nichts ist die eigentliche Zauberei.
Die Alternative zur Inflation
Hans Christoph Binswanger fasst die wirtschaftswissenschaftlichen Allegorien im »Faust« folgendermaßen zusammen: »Statt aus Blei Gold zu machen, wird in der modernen Wirtschaft Papier zu Geld. Diese Papiergeldschöpfung geht in der modernen Wirtschaft in eine Wertschöpfung ohne natürliche Grenze über. In seiner Wette mit Mephistopheles setzt Faust die Zeit aufs Spiel. Die Zeit soll ihm verloren gehen, wenn er ‚den höchsten Augenblick‘ erreicht. Den erreicht Faust, als er meint, dauerhaftes Wirtschaftswachstum, unbegrenzte Wohlstandsmehrung verwirklicht zu haben.« (**)
Im ersten Schritt entledigt sich der Staat durch die Schaffung des Geldes seiner Schulden. Mehr und mehr Geld kommt in Umlauf und kurbelt den Konsum an. Doch das alles artet in einer Inflation aus. Die Erkenntnis: Geld hat keine reale Wirkung.
Doch Mephistopheles Plan geht nicht auf. Faust nutzt das »Inflationsgeld«, um neues Land zu kaufen und so die Wirtschaft in Schwung zu bringen. Durch diesen genialen Schachzug zeigt uns Goethe, dass neu geschaffenes Geld, wenn es in Sachwerte investiert wird, in Wertschöpfung umgesetzt werden kann. Das ist die Alternative zur Inflation.
Lesen Sie im 2. Teil wie ein Finanzsystem ohne Schulden aussehen und eine Wertschöpfung ohne Arbeit funktionieren könnte.
*) Hans Christoph Binswanger: Geld und Magie. Eine ökonomische Deutung von Goethes Faust, Hamburg 2005, S. 13ff.
**) https://www.faz.net/themenarchiv/2.1157/josef-ackermann-und-hans-christoph-binswanger-es-fehlt-das-geld-nun-gut-so-schaff-es-denn-1811056.html
Dr. h.c. Michael Grandt, Jahrgang 1963, arbeitet seit 1992 als Publizist, Dozent und Fachberater für die Themenbereiche Wirtschaft, Finanzen und Zeitgeschichte. Er hat an zahlreichen Fernsehreportagen u.a. für BBC, Channel 4, ORF, RTL, SAT 1 und PRO 7 mitgearbeitet und ist in vielen TV-Talkshows als Experte aufgetreten.
Michael Grandt hat über 1.200 Contents verfasst und bisher 24 Bücher publiziert. Seine Werke „Der Crash der Lebensversicherungen“; „Der Staatbankrott kommt!“, „Europa vor dem Crash“ (mit Udo Ulfkotte und Gerhard Spannbauer), „Der Euro-Crash kommt“, in denen er die Euro-Krise schon vor Jahren präzise vorausgesagt hat, waren und sind seit Monaten auf den Bestsellerlisten von Spiegel, Handelsblatt und Manager-Magazin. Sein neues Buch „Die ökologische Lösung der Schuldenkrise“ ist jetzt im Buchhandel erhältlich.
2005 wurde Dr. Grandt die Staufermedaille für besondere Verdienste für das Land Baden-Württemberg und 2011 die Ehrendoktorwürde der staatlichen rumänischen Universität Pitesti verliehen. Er hält erfolgreiche Vorträge zu den Themen Finanzen und Wirtschaft. Mehr über seine Arbeit finden Sie unter www.michaelgrandt.de.