Deflation oder Inflation: Geld oder Gold?
Hinsichtlich der Bezeichnung unterscheidet sich Geld von Gold lediglich durch einen Buchstaben, doch in der Sache liegen zwischen beiden bekanntlich Welten. Eines steht fest: In der immer komplexer anmutenden Finanzwelt hat das gelbe Edelmetall weiterhin eine glänzende Ausgangsposition.
Vor allem in Deutschland ist in der Bevölkerung die Angst vor einer Inflation seit Generationen fest verankert. Kein Wunder, herrschte doch von 1919 bis 1923 – ausgelöst durch die kriegsbedingte Explosion der Staatsverschuldung – sogar die schlimmste Form der Geldentwertung: die Hyperinflation. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte der Staat bzw. die Bundesbank die Inflation in der Regel gut im Griff. Lediglich in der Phase des Wiederaufbaus (bis 7,6 Prozent), während der Ölkrise in den 1970er-Jahren (bis 7,1 Prozent) und nach der Wiedervereinigung (bis 5,1 Prozent) gab es temporäre Ausreißer nach oben. Für Otto Normalverbraucher muss eine Inflation per se nicht schlecht sein. Fallen zum Beispiel die jährlichen Lohnsteigerungen sowie die Renditen von Anleihen bester Bonität höher als die Teuerung aus, wird er tendenziell vermögender. Beides ist jedoch seit Jahren nicht der Fall. Dies führt zu einer fortschreitenden Enteignung deutscher Sparer, deren Ende nicht absehbar ist.
Eine Inflation blieb bislang aus
Im Zuge der zahlreichen Finanzkrisen der jüngsten Vergangenheit kam es aufgrund staatlicher Rettungsaktionen vor allem in westlichen Industrienationen zu einer enormen Staatsverschuldung und die Bilanzen von Fed, EZB & Co. kletterten auf nie dagewesene Rekordniveaus. Die Befürchtung eines massiven Inflationsproblems war angesichts der enormen Geldflut weit verbreitet und vom Ansatz her sicherlich nachvollziehbar. Doch wie so oft kam es anders, als gedacht. Weil die Abermilliarden an Rettungsgeldern nicht in die Realwirtschaft flossen, sondern in erster Linie den Bankensektor stabilisierten, unterschritt die tatsächliche Inflation die prognostizierte Teuerungsrate vieler Kapitalmarktexperten sowie den von der EZB vordefinierten Zielwert von circa zwei Prozent deutlich. Die für Juni gemeldete Inflationsrate lag in Deutschland bei 1,0 Prozent und in der Eurozone sogar bei lediglich 0,5 Prozent. Den Schluss, dass in Europa ein höheres Maß an Preisstabilität herrscht als in Deutschland, sollte man allerdings tunlichst vermeiden. Bedingt durch die hohe Arbeitslosigkeit, die geringe Produktivität und das geringe Wirtschaftswachstum einiger Problemländer besteht in Europa eher eine erhöhte Deflationsgefahr.
Was eine Deflation so gefährlich macht
In der öffentlichen Wahrnehmung spielt das Thema Deflation mittlerweile fast schon eine größere Rolle als ihr Gegenpart – die Inflation. EZB-Chef Mario Draghi beschwichtigte bei der Notenbanksitzung Anfang Juni und stellte klar: „Wir sehen keine Deflation“. Bleibt zu hoffen, dass er Recht behält, denn eine Deflation dürfte weniger beherrschbar sein als eine moderate Inflation, die von den internationalen Notenbanken sogar erwünscht wird. Was für Konsumenten auf den ersten Blick vorteilhaft aussieht – nämlich sinkende Preise auf breiter Front –, kann sich für die Wirtschaft und den Staat zu einem Worst-Case-Szenario entwickeln. Sollte nämlich die Bevölkerung in Erwartung niedriger Preise Ausgaben zurückhalten, wäre dies für die Wirtschaft aufgrund der rückläufigen Umsätze gar nicht gut. Dies könnte im Extremfall eine Abwärtsspirale von Firmenpleiten und eine Massenarbeitslosigkeit generieren, derer man sich nicht so leicht entledigen kann (siehe Japan). In der Theorie gelten in Deflationsphasen Bankguthaben und Staatsanleihen als „gute Anlageklasse“, schließlich erhält man für sein Geld in Zukunft mehr. Ob diese Einschätzung angesichts der bereits erzielten Anleihen-Kursgewinne der vergangenen Jahre, der Magerkost bei den Renditen und der fragwürdigen Bonität der Schuldner ihre Gültigkeit behält, darf allerdings bezweifelt werden.
Gold überzeugte auch in Deflationsphasen
Eine im vergangenen Jahr veröffentlichte Gemeinschaftsstudie der Credit Suisse und der London Business School untersuchte die Ergebnisse verschiedener Anlageklassen in inflationären und deflationären Phasen. Dabei wurden in 19 Ländern die um die Inflation bereinigten Realrenditen unterschiedlicher Anlageklassen über einen Zeitraum von 112 Jahren analysiert. Das Ergebnis sorgte für manche Überraschung. In einem Viertel der untersuchten insgesamt 2.128 Zeiträume lag die Teuerung unter einem Prozent und in zehn Prozent der Fälle fiel sie sogar negativ aus. Außerdem war zu beobachten, dass in Zeiten extremer Inflation sowohl Anleihen als auch Aktien durchschnittliche Verluste im zweistelligen Prozentbereich erlitten, während Gold lediglich ein leichtes Minus attestiert wurde. Überraschenderweise fielen in extrem deflationären Phasen die Renditen des gelben Edelmetalls mit im Schnitt 12 Prozent eindeutig positiv aus. Letztendlich weiß natürlich niemand, ob wir in eine Deflations- oder Inflationsphase driften werden. Ein breit diversifiziertes Portfolio mit einem Goldanteil im deutlich zweistelligen Prozentbereich dürfte angesichts dieser Unberechenbarkeit jedoch weiterhin angemessen sein.
Für Ronald Stöferle von der Liechtensteiner Incrementum AG, der Ende Juni die jährlich erscheinende Grundsatzanalyse „In Gold we trust“ veröffentlicht hat, steht indes fest: „Aufgrund der monetären Inflation der letzten Jahre ist es nur logisch, dass eine Preisinflation die Konsequenz ist.“ Er betrachtet Gold weiterhin als monetäre Versicherung, die jeder haben sollte.
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