Negativzinsen sind positiv für Gold
Diese Meinung ist in der Finanzwelt immer häufiger zu hören. Doch was versteht man eigentlich genau unter Negativzinsen? Nachdem es diversen Notenbanken trotz jahrelanger Niedrigzinspolitik nicht gelungen ist, nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu generieren, versucht die EZB bereits seit Juni 2014 ihr Glück mit Negativzinsen – bislang ohne Erfolg.
Notenbanken experimentieren weiter
Neben der Europäischen Zentralbank verlangen derzeit auch die Notenbanken von Dänemark, Schweden, Japan und der Schweiz Strafzinsen. Diese müssen die Geschäftsbanken bezahlen, wenn sie ihre überschüssige Liquidität bei den Notenbanken parken. In der Schweiz fällt diese „Parkgebühr“ mit 0,75 Prozent p.a. besonders hoch aus. Das Ziel solcher Maßnahmen besteht darin, den Konsum und die Wirtschaft über Kredite anzukurbeln. Die Bereitschaft der Banken, das in Hülle und Fülle vorhandene Kapital über Kredite an die Realwirtschaft weiterzureichen, ist aufgrund der fortschreitenden Regulierung in Form von gestiegenen Anforderungen bezüglich Eigenkapital und Risikomanagement der Bankbranche aber nicht sonderlich stark ausgeprägt.
Viele Finanzinstitute zahlen deshalb lieber Strafzinsen an die EZB. Diese Kosten kann man ja von den Bankkunden über höhere Gebühren wieder zurückholen. Aus Angst vor einem „Bank Run“ scheuen sie sich noch, die Negativzinsen der EZB direkt weiterzureichen. Robert Hartmann, Gründer und Geschäftsführer von pro aurum, zieht deshalb folgendes Fazit und sagt: „Der von den Notenbanken eingeleitete Wechsel von der Niedrigzinspolitik zur Negativzinspolitik zeigt, dass wir derzeit das größte geldpolitische Experiment der Geschichte erleben – mit völlig ungewissem Ende.“
In der neuesten Ausgabe von pro aurum TV sprechen Dirk Müller und Prof. Max Otte über Gold, das drohende Bargeldverbot und die Aktienmärkte.
Anlagenotstand wird zum Dauerzustand
Eines wird dabei allerdings häufig vergessen: Investoren haben unter Negativzinsen bereits seit Jahren zu leiden. Angemessene Zinsen für Anleihen bester Bonität gibt es nämlich schon lange nicht mehr. Und hierfür waren nicht nur die Zinssenkungen der Notenbanken im Zuge der im September 2008 ausgelösten Marktturbulenzen verantwortlich. Auf der Suche nach einem sicheren Hafen floss Kapital verstärkt in Immobilien, Gold und Triple-A-Anleihen. Dies verteuerte die Anleihen enorm und drückte die erzielbaren Renditen in den Negativbereich. Derzeit weisen zum Beispiel deutsche Staatsanleihen erst ab einer Restlaufzeit von mehr als neun Jahren positive Renditen auf und die von der Bundesbank ermittelte Umlaufrendite rutschte Anfang April auf ein Rekordtief von 0,01 Prozent. Diese Anomalie, dass Anleihebesitzer für das Überlassen von Kapital keine Zinsen erhalten, stellt keine gesunde Entwicklung dar und ist bezeichnend für die dem Papiergeld entgegengebrachte geringe Wertschätzung.
Niedrigere Opportunitätskosten
Goldbesitzer können dem Trend zu Negativzinsen aber mehrere positive Aspekte abgewinnen. Da Gold als sicherer Hafen vor allem mit Staatsanleihen bester Bonität konkurriert, fällt den Goldbesitzern der Verzicht auf die normalerweise üblichen und mittlerweile in den Negativbereich abgerutschten Zinsen (Opportunitätskosten) leichter denn je. Vor diesem Hintergrund fallen etwaige, für die professionelle und sichere Verwahrung anfallende Lagerkosten für Gold weniger stark ins Gewicht. In einer aktuellen Studie des World Gold Council wird darauf hingewiesen, dass sich in Zeiten negativer Realzinsen (um Inflation bereinigte Zinsen) der Goldpreis besonders gut entwickelt hat. In solchen Phasen (Gesamtbetrachtungszeitraum von 1970 bis 2016) übertraf das gelbe Edelmetall seine langfristige Wertsteigerung pro Jahr ungefähr um das Doppelte.
Weitere Erkenntnis: Sinkende Zinsen ziehen in der Regel zwar steigende Goldpreise nach sich, im Gegenzug verursachen steigende Zinsen aber nicht zwangsläufig fallende Goldpreise. Für den erfahrenen Goldexperten Hartmann lässt sich diese These auch aus folgendem Grund sehr gut nachvollziehen. Er sagt: „Früher waren hohe Zinsen auch ein Indiz für ein erhöhtes Risiko. In meinen Augen würden höhere Zinsen aufgrund des daraus resultierenden erhöhten Ausfallrisikos die Attraktivität von Gold auf keinen Fall belasten – ganz im Gegenteil.“
Anlagealternativen verzweifelt gesucht
Allein der US-Anleihemarkt weist derzeit eine Kapitalisierung im zweistelligen Billionen-Dollar-Bereich aus. Trotz dürftiger Renditen und extrem hoher Anleihekurse blieben Investoren dem Markt bislang treu. Nicht auszudenken, wenn hier – aus welchen Gründen auch immer – eine Fluchtbewegung einsetzen sollte. Die Wahrscheinlichkeit, dass verunsicherte Anleger mit geringer Risikobereitschaft vor allem in Gold investieren, ist daher relativ groß. Während Anleihe-, Aktien- und Immobilienmärkte in hohem Maße von der Geldpolitik abhängig sind, trifft dies auf Gold weniger zu. Nur zur Erinnerung: Gold lässt sich nicht so einfach wie Geld vermehren. Um die Goldmenge zu erhöhen, ist viel Energie, Arbeit und somit auch Kapital erforderlich. Grundsätzlich gilt: Bei niedrigem Goldpreis wird tendenziell weniger und bei hohem Goldpreis mehr gefördert.
Anhaltende Kauflaune unter Notenbanken
Während die wichtigsten Notenbanken der Welt in den vergangenen Jahren vor allem durch ihre geldpolitischen Lockerungsmaßnahmen in Erscheinung getreten sind, fallen diverse Zentralbanken außerhalb von Japan, Europa und den USA eher durch eine massive Aufstockung ihrer Goldreserven auf. Trotz ihres unterschiedlichen Handelns lassen sich beide Seiten als Kaufargument für Gold interpretieren. Laut World Gold Council stellten die Nettokäufe der Notenbanken im zweiten Halbjahr mit 336 Tonnen einen neuen Höchstwert dar. An diesem Trend zur Diversifikation von Währungsreserven wird sich nach Ansicht des internationalen Branchenverbands der Goldminenindustrie wenig ändern. Für 2016 und die Jahre danach prognostizieren dessen Analysten sogar neue Rekorde bei den Nettokäufen der Notenbanken.
Robert Hartmann steht den „Waffen“ der Notenbanken weiterhin kritisch gegenüber und befürchtet, dass es nicht mehr allzu lange dauern wird, bis die ersten Banken den Negativzins an ihre Kunden weiterreichen. Er sagt: „Niemand weiß, wie das Experiment am Ende ausgehen wird. Ich empfehle aber mehr denn je Engagements in physisches Gold und Silber. Für mich sind sie eine Versicherung für die durch ‚Draghis Waffen‘ potenziell möglichen Kollateralschäden.“
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