Wer manipuliert den Goldpreis?
Frage: Gold ist in aller Munde: Die Finanzmarktkrise und drohende Staatsbankrotte haben seinen Preis über Jahre steigen lassen. Doch immer wieder kommt es zu plötzlichen Kursrückgängen. Ihrer Meinung nach stecken dahinter nicht nur natürliche Marktmechanismen, sondern Manipulationsversuche. Können Sie diese Annahme bitte begründen? Welche Indizien gibt es?
Speck: Wer die Entwicklung des Goldpreises tiefergehend untersucht oder ihn auch nur regelmäßig beobachtet, entdeckt bestimmte Auffälligkeiten im Kursverhalten. Seit einigen Jahren sind beispielsweise gehäuft schockartige Preisrückgänge zu beobachten, so gerät der Goldpreis auffallend oft beispielsweise um 10 Uhr New Yorker Zeit stark unter Druck. Ich gehe nicht davon aus, dass es sich hierbei um Zufälle handelt. Ich bezeichne diese Preisbewegungen als "Intraday-Anomalien". Bevor die systematische Interventionen des Goldpreises begannen, gab es im Tagesverlauf keine solchen systematischen Auffälligkeiten.
Wann haben die Interventionen begonnen?
Der Zeitpunkt lässt sich genau bestimmen. Zu beobachten sind die schockartigen und anlasslosen Preisrückgänge mit Häufungen zu gewissen Tageszeiten seit dem 5. August 1993. Der Kursverlauf an diesem Tag verdeutlicht bereits sehr anschaulich die Auswirkungen der Interventionen - der Goldpreis fiel damals nach Eröffnung der Märkte innerhalb von nur wenigen Minuten um fast fünf Prozent. Diese blitzartigen Rückgänge treten bis heute häufig auf. Dennoch hat sich natürlich seitdem einiges geändert. Die Entwicklung der Interventionen lässt sich in drei Phasen einteilen. Zuerst wurde aus geldpoltischen Motiven heraus versucht, den Goldpreis unter 400 Dollar zu halten. Ab 1996 dominierten die Interessen der privaten Finanzhäuser, die Gold von den Zentralbanken geliehen hatten. Sie waren Gold schuldig und wollten zur Gewinnsteigerung einen tieferen Preis. Sie versuchten sogar einige Zentralbanken selbst zu beeinflussen, Gold zu verkaufen, damit der Preis fällt. Seit 2001 haben die Manipulationen aber vor allem den Zweck, stärkere Preisanstiege abzubremsen.
Wer könnte grundsätzlich durch Interventionen den Goldpreis manipulieren?
Ursprünglich hatten nur Zentralbanken die Möglichkeit, in einem derartigen Ausmaß den Goldpreis nachhaltig zu beeinflussen. Aufgrund des Umweges via Goldleihe – die Zentralbanken leihen ihr Gold an so genannte "Bullion Banks", also spezialisierte Geschäftsbanken, kamen diese mit ins Spiel. Diese privaten Institute manipulieren den Preis aber auch direkt und sind heute zumindest für einen Teil der schockartigen Rückgänge verantwortlich.
Notenbanken sind vor einigen Jahren von der Verkäufer- auf die Käuferseite beim Gold gewechselt – sie horten selbst tonnenweise das Edelmetall. Warum sollten Sie kein Interesse an einem starken Goldpreis haben?
Als Goldhalter wollen sie einen höheren Goldpreis – wobei dies für manche nicht so wichtig ist, da sie nicht zum aktuellen Marktpreis bilanzieren. Als geldpolitische Instanz verfolgen die Notenbanken aber auch andere Ziele. Der frühere Chef der amerikanischen Notenbank FED, Alan Greenspan, hat den Goldpreis einmal als Thermometer für die Inflation bezeichnet. Steigt dieses Thermometer zu hoch, ist auch für Otto Normalverbraucher ersichtlich, dass der Patient – in diesem Fall die Finanzwirtschaft – kränkelt. Und eine Nebenwirkung dieser Krankheit ist die Inflationsangst, die von den Zentralbanken bekämpft werden müsste. Deshalb halten sie es für ihre Aufgabe, eine Kursexplosion an den Edelmetallmärkten zu verhindern. Denn stark steigende Goldkurse waren schon immer ein Ausdruck des Misstrauens in das Papiergeld. Durch die Beeinflussung des Goldpreises soll ein Run in Gold als Alternative zu festverzinslichen Wertpapieren und dem klassischen Sparguthaben verhindert werden. Bereits im Jahr 1993, als die systematischen Goldinterventionen begannen, können entsprechende Beweggründe ausgemacht werden. Damals wurde ein Anstieg der Inflation befürchtet. Weil die FED die Leitzinsen nicht erhöhen wollte, um die Konjunktur nicht zu belasten, entschied sie sich, den Goldpreis beeinflussen. Sie ging so gegen Inflationserwartung und Inflation vor und konnte dadurch die Leitzinsen künstlich niedrig halten. Eine scheinbar ideale Lösung, bloß wurde so neben der Wirtschaft als Nebenwirkung auch die Finanzblase gestärkt.
Was bedeuten diese möglichen Manipulationen für Edelmetall-Anleger?
Auf den ersten Blick wirkt die Vorstellung, dass der Goldpreis beinahe beliebig manipuliert werden kann, als Gefahr für Privatanleger. Sie können die Kenntnis um diese Manipulation jedoch nutzen und Rückschläge, wie sie auch in den letzten Tagen immer wieder vorgekommen sind, zum Ausbau ihrer Goldbestände nutzen. Wieso nicht einfach den Spieß umdrehen und die Gelegenheit ergreifen?
Warum funktioniert der Goldmarkt nach anderen Regeln als beispielsweise Wertpapierbörsen?
Gold kommt auf dem Anlagemarkt eine ganz besondere Rolle zu. Gold ist ein Anlagegut und kein Verbrauchsgut wie andere Rohstoffe. Gold ist ein liquider Wertspeicher, der seinen Wert selbst bei einer hohen Inflation bewahren würde. Gold kann nicht wie ein Unternehmen oder Staat einfach pleitegehen oder wie Papiergeld beliebig nachgedruckt werden. Deshalb stellt Gold, in geringerem Masse auch Silber, eine eigene Anlageklasse dar.
Wann geht den Manipulatoren Ihrer Meinung nach die Munition aus?
Die unterschiedlichen Phasen, die bei der Manipulation des Goldpreises zu beobachten sind, insbesondere der Anstieg des Kurses ab 2001, verdeutlichen schon, dass es für die Manipulatoren schwieriger geworden ist. Denn inzwischen nutzen sie schwerpunktmäßig die Terminmärkte und blitzartigen Preisschocks. Physisches Material durch Verleihungen stellen sie nur noch phasenweise, wie in der Finanzmarktkrise 2008, zur Verfügung. Außerdem verhindern sie ja seit Jahren den Preisanstieg nicht mehr, sondern schaffen es nur noch, ihn zu begrenzen. Es wäre aber unseriös, eine Prognose über die Dauer dieser Maßnahmen abzugeben. Wir sind weltweit in einem Zustand hoher Verschuldung. Ein mögliches Szenario für die Zukunft ist deshalb Inflation. Wenn diese eintreten sollte, sollte auch Gold weiter steigen. Für Zentralbanken dürfte es dann schwieriger und vielleicht auch uninteressanter sein, den Goldpreis zu drücken.
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