Inflation und höhere Goldpreise sind so gut wie sicher
Ronald-Peter Stöferle von der Liechtensteiner Investmentgesellschaft Incrementum AG gilt hinsichtlich Investments in Gold seit Jahren als „Experte par excellence“. In einem Interview mit pro aurum zieht er nicht nur Bilanz, sondern wagt auch einen Ausblick. Sein Tenor: Ein höherer Goldpreis ist auf lange Sicht so gut wie sicher.
Das Jahr 2015 verlief bislang ausgesprochen ereignisreich. Nach einem Fünfmonatshoch im Januar stürzte der Goldpreis im August auf den tiefsten Stand seit fünfeinhalb Jahren. Wie ist es aktuell um ihre Gemütslage hinsichtlich Gold bestellt?
Ich mache mir derzeit keine allzu großen Sorgen um den Goldpreis. So richtig negativ hat sich der Goldpreis eigentlich nur auf Dollarbasis entwickelt. In den meisten anderen Währungen – und hier vor allem im Euro – schaut es eigentlich ganz positiv aus. Ich gehe davon aus, dass in den kommenden Wochen aufgrund des Basiseffekts mit einer anziehenden Inflation zu rechnen ist und dies könnte sich als Rückenwind für Gold erweisen. Derzeit hängt die Angst vor einer Zinswende wie ein Damoklesschwert über dem Goldpreis. Meiner Meinung nach könnte sich das Anheben der US-Leitzinsen jedoch durchaus positiv auswirken, weil die damit verbundene Unsicherheit erst einmal raus wäre. Mit dem Ende der quantitativen Lockerungsmaßnahmen war eine ähnliche Entwicklung zu beobachten – der Goldpreis tendierte damals überraschenderweise nach oben.
Die Argumentation, dass steigende US-Zinsen an den Goldmärkten als Belastungsfaktor fungieren, halten Sie also eher für nicht gerechtfertigt?
Ich rechne maximal mit einem symbolischen Zinsschritt und weniger mit einer nachhaltigen Zinswende in den USA. Eigentlich hätte die Fed schon längst die Zinsschraube anziehen müssen. Die Angst vor einem zu starken Dollar, der die US-Wirtschaft schwächen und eine Deflation importieren würde, dürfte sie bislang daran gehindert haben. Da die US-Notenbanker nach wie vor eine Inflationsrate in Höhe von zwei Prozent anstreben und wir davon aktuell meilenweit entfernt sind, ist ein starker Zinsanstieg relativ unwahrscheinlich. Mit Blick auf den Goldpreis müssen sich steigende Zinsen übrigens nicht zwangsweise negativ auf den Goldpreis auswirken, schließlich haben drei der größten Bullenmärkte bei Gold in einem Umfeld steigender Zinsen stattgefunden.
Chinas Wirtschaft läuft derzeit nicht sonderlich rund. Wird sich dies an den Goldmärkten negativ auswirken?
Auf lange Sicht mache ich mir da eigentlich keine Sorgen. Die Demografie, steigende Realeinkommen, eine wachsende Mittelschicht und die starke Affinität der Asiaten zu Gold dürften am physischen Markt zu einer gesunden Nachfrage führen. Problem dabei: In den vergangenen Jahren sahen wir zwar ein ausgesprochen robustes Interesse an physischem Gold, geholfen hat es dem Goldpreis allerdings nicht. Maßgeblich beeinflusst wird dieser nämlich vor allem durch den Markt für Papiergold. Allein im vergangenen Jahr wurden über diese Schiene ungefähr 550.000 Tonnen Gold gehandelt. Das sind natürlich ganz andere Dimensionen.
Keinen Rückenwind lieferte im Zuge der eingebrochenen Energie- und Rohstoffpreise die Entwicklung der Inflation. Dürfen sich die Konsumenten auch künftig darüber freuen?
Angesichts der Tatsache, dass die japanische Notenbank, aber auch die Europäische Zentralbank derzeit über die Ausweitung der Geldmenge ganz stark inflationär agieren, rechnen wir früher oder später mit steigenden Goldpreisen. Auf kurze Sicht könnten zwar deflationäre Gefahren überwiegen, in der Vergangenheit war es aber stets so, dass auf die Inflation der Geldmenge eine Vermögensinflation folgte und danach steigende Verbraucherpreise zu beobachten waren. Ich gehe davon aus, dass der deflationäre Trend mit brachialer Gewalt gebrochen wird, schließlich sind fallende Preise zwar gut für den Konsumenten, aber sehr schlecht für ein Geldsystem, das über Schulden massiv gehebelt ist. Dabei gilt: Je größer die Verschuldung, desto größer der Wunsch nach Preisinflation. Ist die Inflation dann da, wird es extrem schwierig, deren Dynamik zu kontrollieren.
In Ihrer diesjährigen Studie „In Gold we trust“ erwähnten Sie die Möglichkeit eines finalen Ausverkaufs. Seither ging es mit dem gelben Edelmetall deutlich bergab. Haben wir das Schlimmste überstanden oder müssen wir uns noch auf Goldpreise im dreistelligen Dollarbereich einstellen?
Das ist natürlich schwer zu sagen. Kurzfristigen Prognosen haftet meiner Meinung nach ein gewisses Maß am Glücksspiel an. Charttechnisch befinden wir uns in einer überverkauften Situation, das Sentiment ist negativ und einige Terminmarktindikatoren stellen sich so positiv wie noch nie dar. Das sieht überwiegend sehr positiv aus. Nach unten ist das Risiko nicht sonderlich groß und nach oben hin ist es enorm. Ausschließen kann man natürlich nicht, dass der Goldpreis unter 1.000 Dollar rutscht. Ein Ausverkauf bei hohem Volumen würde dann aber den Boden für die nächste Phase des Bullenmarktes bilden.
Bisher scheint das Vertrauen der Marktteilnehmer in die Notenbanken unerschütterlich zu sein. Diese pumpen weiter Geld ins Finanzsystem und treiben damit die Aktienkurse. Was könnte dieses Urvertrauen erschüttern?
Das Vertrauen in Yellen, Draghi, Kuroda und Co. ist derzeit enorm hoch, stellt in meinen Augen aber zugleich die größte Blase dar. Die Schweizer Notenbank und die chinesische Zentralbank haben in diesem Jahr allerdings gezeigt, dass sie nicht unfehlbar sind und es diesbezüglich viel Überraschungspotenzial gibt. Notenbanken können in erster Linie eines: Geld drucken. Wohin dieses Geld dann fließt, können sie nicht beeinflussen. Wenn nach dem Platzen der entstandenen Vermögenspreisblasen weiterhin Geld gedruckt wird, ist mit einer wachsenden Inflation zu rechnen.
Welches Themenfeld wird Ihrer Meinung nach im Jahr 2016 möglicherweise den stärksten Einfluss auf den Goldpreis ausüben?
Kurzfristig gibt es derzeit viele Negativfaktoren. Langfristig betrachtet ist allerdings der wichtigste Faktor die drohende Inflation im Zuge der sich ausweitenden Geldmenge. Das von uns entwickelte Incrementum-Inflations-Signal zeigt derzeit Deflation an, deutet jedoch bereits einen baldigen Wechsel in Richtung steigender Inflation an. Derzeit gibt es an den Märkten zwar im Grunde genommen keine Inflationsängste, die Notenbanken werden aber weiterhin alles daran setzen, Inflation zu generieren. Ich denke, hier schlummert erhebliches Überraschungspotenzial.
Letzte Frage: In der aktuellen Version von „In Gold we trust“ prognostizierten Sie auf Sicht von drei Jahren einen Goldpreis von 2.300 Dollar. Sind in den vergangenen Wochen eher die Zweifel oder die Zuversicht gewachsen, dass dieses ambitionierte Kursziel auch tatsächlich erreicht wird?
Mit Blick auf das große Bild hat sich eigentlich nicht viel verändert. Die Wahrscheinlichkeit für einen höheren Goldpreis ist sehr hoch. Ich fühle mich mit den 2.300 Dollar weiterhin sehr wohl. Derzeit fällt zudem der Analystenkonsens der Goldpreisprognosen extrem negativ aus. Aus antizyklischer Sicht stimmt mich dies aber ausgesprochen optimistisch. Nach unten dürfte beim Goldpreis meiner Meinung nach nicht mehr viel Platz sein.
Ronald-Peter Stöferle fungiert bei der Liechtensteiner Investmentgesellschaft Incrementum AG als Partner und Fondsmanager und genießt aufgrund seiner Expertise in der Goldbranche hohes Ansehen. Seit 2007 veröffentlicht er einmal pro Jahr die Goldstudie „In Gold we trust“. Ende Juni ist die 143 Seiten starke neunte Ausgabe erschienen.
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