Wann steigen die Leitzinsen?
Dr. Michael Grandt
Mit dem Instrument des Leitzinses können die Währungshüter Wachstum und Inflation beeinflussen. Wer die Zinssätze beherrscht, beherrscht die Wirtschaft. Eine Erhöhung oder Senkung des Leitzinses hat also große Auswirkungen auf Banken, Unternehmen und Verbraucher.
Zunächst einmal müssen wir klären, was der Leitzins überhaupt ist und was eine Anhebung oder Senkung überhaupt bedeutet.
1. Leitzinsen
Die Zentralbanken legen den Leitzins für ihren Währungsraum fest. Damit geben sie also die Bedingungen an, unter denen sich Kreditinstitute bei Noten- und Zentralbanken Geld leihen können. Durch das Instrument des Leitzinses können die Währungshüter nicht nur auf wirtschaftliche Entwicklungen reagieren, etwa auf Inflation und Wirtschaftswachstum, sondern sie auch beeinflußen. Kurz: Wer die Zinssätze beherrscht, beherrscht die Bedingungen der Wirtschaft.
Damit ist der Leitzins eine der mächtigen finanzpolitischen Waffen. Die wichtigsten Zentral-, bzw. Notenbanken und ihre Leitzinsen:
• Europa: Europäische Zentralbank (EZB) - Hauptrefinanzierungssatz
• England: Bank of England (BoE) – Repo Rate
• USA: Federal Reserve Bank (Fed) – Federal Funds Rate
• Japan: Bank of Japan (BoJ) – Overnight Call Rate
2. Was bedeutet die Erhöhung des Leitzinses?
Bei einem robusten Wirtschaftswachstum steigt die Inflationsgefahr. Durch die Erhöhung des Leitzinses wird die Geldpolitik eingedämmt und damit die Inflation bekämpft.
Das bedeutet aber auch, dass die Banken die Zinsanhebung an ihre Kunden weitergeben. Kredit-, aber auch Guthabenzinsen steigen.
Vorteil: Verbraucher sparen mehr, weil sie höhere Guthabenzinsen erhalten.
Nachteil: In der Privatwirtschaft werden weniger Kredite aufgenommen, da die Darlehenszinsen ebenfalls steigen. Auch für Unternehmen wird die Kreditaufnahme teurer, weswegen sie nicht mehr so viel investieren. Das Wirtschaftswachstum verlangsamt sich. Volkswirtschaftlich gesehen führt ein höherer Leitzins also zu weniger Wertschöpfung, zu weniger Unternehmensgewinnen, zu niedrigeren Aktienkursen und zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit, weil die Bereitschaft, neue Mitarbeiter einzustellen, sinkt.
3. Was bedeutet die Senkung des Leitzinses?
Stockt die Konjunktur oder droht gar eine Rezession können die Notenbanken für ihren Währungsraum den Leitzins senken. Die Geldmenge erhöht sich aufgrund der größeren Nachfrage an »billigem« Geld.
Vorteil: Kredite werden billiger, d. h. für Unternehmen lohnen sich Investitionen, was die Wirtschaft ankurbelt. Auch Privatverbraucher profitieren durch niedrigere Kreditzinsen, was den Konsum belebt.
Nachteil: Durch die »Politik des billigen Geldes« können neue Spekulationsblasen entstehen, ebenso wächst die Inflationsgefahr und die Verschuldungsrate der Verbraucher steigt.
Doch das »Jonglieren« mit den Leitzinssätzen durch die Notenbanken hat nicht nur Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft. Je nachdem, ob der Zins steigt oder fällt hat dies auch Auswirkungen auf die Landeswährung. So wirkt sich eine Leitzinssenkung in Europa negativ auf den Euro und positiv auf den Dollar aus, was wiederum den Im-und Export eines Landes beeinflusst.
4. Leitzinsentwicklungen
Die Leitzinsentwicklung der EZB:
Seit 08-12-2011 | 1,000% |
03-11-2011 | 1,250% |
07-07-2011 | 1,500% |
07-04-2011 | 1,250% |
07-05-2009 | 1,000% |
02-04-2009 | 1,250% |
05-03-2009 | 1,500% |
15-01-2009 | 2,000% |
04-12-2008 | 2,500% |
06-11-2008 | 3,250% |
Die Leitzinsentwicklung der Fed:
Seit 16-12-2008 | 0,250 % |
29-10-2008 | 1,000 % |
08-10-2008 | 1,500 % |
30-04-2008 | 2,000 % |
18-03-2008 | 2,250 % |
30-01-2008 | 3,000 % |
22-01-2008 | 3,500 % |
11-12-2007 | 4,250 % |
31-10-2007 | 4,500 % |
18-09-2007 | 4,750 % |
Alleine an dieser Aufstellung erkennen Sie, wo die Reise hingeht: Der Leitzins wurde immer weiter gesenkt, was inflationäre Tendenzen hervorruft. Gleichzeitig steigt die Gefahr weiterer Spekulationsblasen. Mit dem billigen Geld der Notenbanken kaufen die Institute vermehrt hochverzinste Anleihen maroder EU-Staaten wie Spanien oder/und Italien. Das nächste Kartenhaus wird aufgebaut.
Die Gefahren einer solchen Politik sind unabsehbar: Geldentwertung, höhere Verschuldungen und neue Finanzmarktrisiken.
5. Wann steigen die Leitzinsen?
Ich kann gegenwärtig nicht erkennen, dass die beiden »wichtigsten« Zentralbanken, nämlich die EZB und die Fed gewillt sind, ihre Leitzinsen zu erhöhen.
Das wirtschaftlich instabile Umfeld, die Schulden- und Währungskrise und die trüben Konjunkturaussichten machen eine Leitzinserhöhung unmöglich und würden die latent schlummernden Rezessionstendenzen noch verstärken.
Ähnlich wie Ben Shalom Bernanke, der Präsident der Fed, äußerte sich auch EZB-Chef Mario Draghi. Beide sehen es als verfrüht an, die Geldpolitik zu ändern. In den nächsten Monaten rechne ich demnach nicht mit einer Leitzinserhöhung.
Dr. h.c. Michael Grandt, Jahrgang 1963, arbeitet seit 1992 als Publizist, Dozent und Fachberater für die Themenbereiche Wirtschaft, Finanzen und Zeitgeschichte. Er hat an zahlreichen Fernsehreportagen u.a. für BBC, Channel 4, ORF, RTL, SAT 1 und PRO 7 mitgearbeitet und ist in vielen TV-Talkshows als Experte aufgetreten.
Michael Grandt hat über 800 Contents verfasst und bisher 22 Bücher publiziert. Seine Werke „Der Crash der Lebensversicherungen“; „Der Staatbankrott kommt!“, „Europa vor dem Crash“ (mit Udo Ulfkotte und Gerhard Spannbauer), „Der Euro-Crash kommt“, in denen er die Euro-Krise schon vor Jahren präzise vorausgesagt hat, waren und sind seit Monaten auf den Bestsellerlisten von Spiegel, Handelsblatt und Manager-Magazin.
Im GeVestor-Verlag gibt er seit kurzem seinen eigenen Börsenbrief „Unter vier Augen – Wissen, was andere nicht wissen“ heraus https://www.gevestor.de/shop/details/unter4augen.html , der die Vermögenssicherung fokussiert.
2005 wurde Dr. Grandt die Staufermedaille für besondere Verdienste für das Land Baden-Württemberg und 2011 die Ehrendoktorwürde der staatlichen rumänischen Universität Pitesti verliehen. Er hält erfolgreiche Vorträge zu den Themen Finanzen und Wirtschaft. Mehr über seine Arbeit finden Sie unter www.michaelgrandt.de.