Sind Immobilien eine sichere Kapitalanlage?
Dr. h.c. Michael Grandt
Die Rechnung der Banken und Immobilienverkäufer klingt verführerisch: Die gesparte Miete wird den Tilgungen und Zinsen gegenübergestellt und so finanziert sich das Haus oder die Wohnung quasi wie von selbst. Das ist jedoch eine Milchmädchenrechnung, die Sie teuer zu stehen kommen kann.
1. Das eigene Haus - Traum oder Albtraum?
Laut Statistischem Bundesamt haben sich 17,5 Millionen Menschen in Deutschland den »Traum« einer eigenen Immobilie verwirklicht und nach einer Umfrage der Internet-Immobilienvermittler Planet Home meinen 86 Prozent, die eigenen vier Wände seien eine gute Absicherung für das Rentenalter.
Doch die berechtigte Frage ist: »Gehört Ihnen das Haus oder gehören Sie dem Haus?« Verstehen Sie, was ich damit meine? Den meisten Menschen gehört die Immobilie gar nicht, sondern der Bank.
Erst nach 30 Jahren sind sie dann Eigentümer, wenn überhaupt. Denn in 30 Jahren kann viel geschehen: Arbeitsplatzverlust, Scheidung, Unfall, Umzug, Nachbarschaftsstreitigkeiten usw. und so wird für manchen der vermeintliche Traum zum Albtraum.
Andere wiederum opfern ihr ganzes Leben lang, leben spartanisch, gönnen sich nichts, nur um im Alter ein eigenes Haus zu haben. Jeder mag selbst einschätzen, ob ihm der Preis eines entgangenen Lebens dafür nicht zu hoch ist.
Klar, die Rechnung der Banken und Immobilienverkäufer klingt verführerisch: Die gesparte Miete wird den Tilgungen und Zinsen gegenübergestellt, die beim Kauf eines Hauses oder einer Wohnung zu entrichten sind.
Das aber vergessen die Berater bei der Gegenüberstellung:
- Wie viel Zinsen hätten Sie für das eingesetzte Eigenkapital erhalten?
- Welche Kosten der Werterhaltung kommen auf Sie, als Hausbesitzer, in den folgenden Jahrzehnten überhaupt zu?
Fast das meiste Kapital ist in all der Zeit an eine Immobilie gebunden. Aber wenn Sie Hunger haben, können Sie von keinem Fenstersims abbeißen, oder?
Ich mache keine Witze, denn die prozentuale Belastung des Haushaltseinkommens durch den Kauf einer Immobilie ist nicht zu unterschätzen.
Soviel Prozent des durchschnittlich verfügbaren Einkommens muss eine Familie aufwenden, um ein Einfamilienhaus finanzieren zu können (alphabetisch):
Berlin/ West: | 31 % | |
Dortmund: | 33 % | |
Dresden: |
23 % |
|
Frankfurt/Main: | 45 % | |
Freiburg/Breisgau: | 38 % | |
Hamburg: | 25 % | |
Köln: | 33 % | |
Konstanz: | 43 % | |
Leipzig: | 24 % | |
München: | 50 % | |
Rostock: | 24 % | |
Stuttgart: | 41 % | (Quelle: IVD) |
Wir erkennen daraus signifikante regionale Unterschiede: In München muss eine Familie die Hälfte seines Einkommens für die Immobilie ausgeben, in Rostock dagegen nur ein Fünftel.
Oft erwerben diejenigen, die sich eigentlich keine Immobilie leisten können, ein Eigenheim. Doch obige Aufstellung zeigt uns auch noch etwas anderes: In den Gebieten, in denen Sie am meisten für die Immobilie aufwenden müssen, dürfte auch der Wiederverkaufswert am höchsten sein.
2. Können Sie sich eine Immobilie überhaupt leisten?
Wie oben bereits erwähnt, stecken viele Familien in einer 30-jährigen Finanzierung, obwohl sie sich eine Wohnung oder ein Haus gar nicht leisten können. Diese Fragen muss sich jeder Immobilienbesitzer stellen:
- Sind Zins und Tilgung höher als die vorherige Miete? Wenn ja, sollten Sie entsprechend mehr verdienen oder müssen Ihren gewohnten Lebensstandard für sich und Ihre Familie einschränken.
- Haben Sie genügend Reserven, wenn die Zinsbindung nach 10 oder 15 Jahren ausläuft, Sie neu verhandeln müssen und eventuell durch Zinssteigerungen eine 100 oder 150 Euro höhere monatliche Rate bezahlen müssen?
- Haben Sie Reserven für Notfälle: Autoreparatur, neuer Kühlschrank, etc.?
- Haben Sie noch eine andere Altersvorsorge?
- Sind Sie im Todesfall, Scheidung, Arbeitslosigkeit und Arbeitsunfähigkeit abgesichert?
- Können Sie sich trotzdem noch ein Minium an Lebensqualität (Ausflüge, Reisen, Kino, Restaurant) leisten?
- Was ist, wenn plötzlich ein Kinderwunsch kommt?
- Was ist, wenn Sie beruflich bedingt umziehen müssen?
- Können viele Menschen ihre Hypotheken nicht mehr bedienen, wird der Wert der einzelnen Immobilie immer weiter fallen. Ein Problem haben Sie dann, wenn die Höhe des Darlehens höher ist als der Wert des Hauses oder der Wohnung. Die Folge: Die Bank kann weitere Sicherheiten von Ihnen verlangen. Aber haben Sie diese auch?
Sie sehen, eine ganze Menge Fragen, die man sich stellen und ehrlich beantworten sollte, um während der 20 oder 30 Jahre, in denen Sie in der Finanzierung stecken, kein Fiasko zu erleben. Was nützt Ihnen die Aussicht auf ein Haus im Alter, wenn Sie zuvor alles verlieren, nur weil Sie zu blauäugig waren?
Zusätzlich sollten Sie folgendes beachten:
- Sie stecken in einem jahrzehntelangen Finanzierungskorsett fest!
- Ihr Vermögen steckt in einem Objekt und Sie haben zusätzlich noch Kredite dafür aufgenommen.
- Bei einer Deflation fällt der Wert der Immobilie, die Schulden bleiben aber genauso hoch.
- Der Wiederverkauf mit Gewinn ist fraglich.
- Die Darlehenszinsen summieren sich auf riesige Beträge.
- Wenn Zinsen steigen droht ein Fiasko bei der Anschlussfinanzierung.
- Hohe Zusatzkosten bei längerer Nutzung (Heizung, Dach, etc.).
- Die Höhe der Verbindlichkeiten wird auch nach einer Währungsreform bestehen bleiben, lediglich Ihr Vermögen wird sich schmälern. Der Nennwert der Schulden bleibt also gleich, während die Lebenshaltungskosten rasch ansteigen können und so einen immer größeren Teil Ihres verfügbaren Vermögens aufzehren. Für den eigentlichen Schuldendienst bleibt dann immer weniger übrig.
3. Vermietete Immobilien
Viele Menschen erwerben eine Immobilie die bereits vermietet ist, oder die später vermietet werden soll. Mit den Mietzahlungen soll die Immobilie dann getilgt werden. Die Eigentümer von Immobilien verdienten in den vergangenen 17 Jahren im Durchschnitt jedoch nur eine Rendite von 2,5 Prozent (Miete und Wertsteigerung). Damit liegt sie gegenwärtig um die Inflationsquote.
Auch das »Märchen« von der inflationssicheren Immobilienanlage ist Ihnen sicherlich bekannt. Manche Bankberater versuchen Ihnen vielleicht zu verkaufen, dass bei steigenden Preisen (sprich Inflation) auch die Mieten steigen würden. Aber viele Untersuchungen haben genau das Gegenteil ergeben, denn: wenn die Preise steigen, steigen auch die Zinsen.
Das bedeutet: immer weniger Menschen können sich ein eigenes Heim leisten oder können es nicht mehr bezahlen. Zwangsversteigerungen und eine zurückgehende Nachfrage führen zu – ja, Sie haben es erraten, fallenden Preisen. Ihre Immobilie kann also trotz steigender Inflation weniger wert sein.
Auch hier sollten Sie sich folgende Vorüberlegungen anstellen:
- Solvente Mieter zu finden ist nicht leicht
- Bei Arbeitslosigkeit des Mieters könnte die Mietzahlung ausbleiben
- Vorsicht vor Mietnomaden
- Teure Reparaturen können auftreten
- Haben Sie Absicherungen für Mietausfälle? (Mindestens 10 Prozent des Anschaffungspreises als Reserve)
- Mietverträge sind i.d. R. mit einer Frist von drei Monaten kündbar
- Verhältnismäßig niedrige Rendite (gemessen an der Inflationsrate)
- Oft werden überteuerte Objekte erworben
- Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zählen zum steuerpflichtigen Einkommen
- Weiterverkauf innerhalb von 10 Jahren gilt als Spekulationsgeschäft. Der Gewinn ist steuerpflichtig.
- Die Regierung könnte einen Mietpreisstopp verhängen, um die Mieter vor Preistreiberei zu schützen; die Instandhaltungsausgaben könnten jedoch inflationsbedingt dramatisch steigen.
4. Fazit
Normalerweise sollten Sie Ihre Schulden aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Situation verringern. Mit dem Kauf einer Immobilie machen Sie aber genau das Gegenteil!
Die Entscheidung für eine Immobilie ist immer auch eine Wette auf die Zukunft: Werde ich meinen Arbeitsplatz behalten? Werde ich verheiratet bleiben? Wie viele Kinder werden kommen? Bleibe ich gesund, usw. Das sind sehr viele Unsicherheiten.
Was aber wäre, wenn Sie das eingesetzte Kapital 30 Jahre lang investiert hätten und keine Zinsen zahlen müssten, sondern stattdessen Zinserträge bekommen würden? Denken Sie mal darüber nach. Außerdem sollten Sie ausreichende Anlagen in liquide Mittel wie z.B. Gold und Silber haben, um für die Wechselfälle des Lebens jederzeit vorbereitet zu sein.
Dr. h.c. Michael Grandt, Jahrgang 1963, arbeitet seit 1992 als Publizist, Dozent und Fachberater für die Themenbereiche Wirtschaft, Finanzen und Zeitgeschichte. Er hat an zahlreichen Fernsehreportagen u.a. für BBC, Channel 4, ORF, RTL, SAT 1 und PRO 7 mitgearbeitet und ist in vielen TV-Talkshows als Experte aufgetreten.
Michael Grandt hat über 800 Contents verfasst und bisher 22 Bücher publiziert. Seine Werke „Der Crash der Lebensversicherungen“; „Der Staatbankrott kommt!“, „Europa vor dem Crash“ (mit Udo Ulfkotte und Gerhard Spannbauer), „Der Euro-Crash kommt“, in denen er die Euro-Krise schon vor Jahren präzise vorausgesagt hat, waren und sind seit Monaten auf den Bestsellerlisten von Spiegel, Handelsblatt und Manager-Magazin.
Im GeVestor-Verlag gibt er seit kurzem seinen eigenen Börsenbrief „Unter vier Augen – Wissen, was andere nicht wissen“ heraus https://www.gevestor.de/shop/details/unter4augen.html , der die Vermögenssicherung fokussiert.
2005 wurde Dr. Grandt die Staufermedaille für besondere Verdienste für das Land Baden-Württemberg und 2011 die Ehrendoktorwürde der staatlichen rumänischen Universität Pitesti verliehen. Er hält erfolgreiche Vorträge zu den Themen Finanzen und Wirtschaft. Mehr über seine Arbeit finden Sie unter www.michaelgrandt.de.