Gold: Angeschlagen, aber nicht abgeschrieben
von Robert Hartmann, Geschäftsführer von pro aurum
Langeweile? Fehlanzeige! – So lässt sich die diesjährige Entwicklung des Goldpreises trotz seiner Seitwärtsbewegung in der Bandbreite von 1.180 bis 1.400 Dollar gut beschreiben. Zwar gab es keinen ähnlichen „Wachmacher“ wie im April 2013, von „charttechnischen Aufregern“ blieben die Akteure an den Goldmärkten angesichts des Kampfs um die 200-Tage-Linie und den Aufwärtstrend aber auch in diesem Jahr nicht verschont. Erinnern Sie sich noch an das Wochenende im April 2013? Damals kollabierte in den USA am späten Freitagnachmittag (12. April) der Goldpreis. Bis zur Eröffnung des europäischen Handels am Montag (15. April) verlor das gelbe Edelmetall aufgrund einer gewichtigen unlimitierten Verkaufsorder und der sich anschließenden Stopploss-Verkaufsaufträge rund 220 Dollar pro Feinunze oder umgerechnet 14 Prozent. Das kurz- und mittelfristige Chartbild trübte sich damit schlagartig ein. Davon hat sich Gold bislang nicht mehr erholt. Damals waren viele Anleger angesichts des weiterhin intakten Fundamentalumfeldes dennoch nicht geschockt und kauften. Vor allem asiatische Schnäppchenjäger griffen beherzt zu. In diesem Jahr meldete der World Gold Council für das zweite Quartal hingegen – auch bedingt durch den Basiseffekt – einen signifikanten Rückgang der globalen Goldnachfrage um 16 Prozent auf 963,8 Tonnen. Fast die Hälfte dieser Menge landete in Form von Schmuck, Barren oder Münzen in Asien, wobei Chinesen (inkl. Hongkong und Taiwan: 207,9 Tonnen) und Inder (204,1 Tonnen) weiterhin den mit Abstand stärksten Goldappetit verspürten. Diesen regten in den vergangenen Jahren vor allem die Notenbanken in Europa, Japan und den USA durch ihr großzügiges Öffnen der Geldschleusen zum Eindämmen der Finanzkrise an. Weil sich die Investoren derzeit eher vor einer Deflation als vor steigenden Preisen fürchten, steht der Vermögensschutz Gold nicht mehr ganz oben auf ihrer Einkaufsliste. Nun stellen viele Investoren die alten Wahrheiten infrage: Hat der Seismograf Gold trotz diverser geopolitischer Krisen und trotz der ungelösten Staatsschuldenkrise tatsächlich ausgedient?
Der vergessene Sicherheitsanker
Nach wie vor herrscht an den internationalen Finanzmärkten vor allem eines: Anlagenotstand. Unsere Kunden stellen sich daher immer öfter vor allem eine Frage: In welchen Anlageklassen kann man bei möglichst geringem Risiko mittel- bis langfristig überhaupt noch einen realen Wertzuwachs erzielen? Die Zeiten, in denen die Zinsen von Staatsanleihen deutlich über der Inflationsrate lagen, sind bereits seit Längerem vorbei. Im September bot eine zehnjährige Bundesanleihe mit einem Prozent den Sparern allenfalls Magerkost. Aber nicht nur in Deutschland, sondern auch in Italien, Spanien oder Frankreich freuen sich die Regierungen über rekordniedrige Zinsen. Noch nie in den letzten 250 Jahren kamen sie in den Genuss günstigerer Refinanzierungssätze für ihre immer höheren Staatsschulden.
In diesem Jahr herrschte vor allem an den Aktienmärkten, den Immobilienmärkten sowie den Anleihemärkten Partylaune, während Edelmetalle wie Gold und Silber weniger geglänzt haben und etwas in Vergessenheit gerieten. Wann und wie die Party enden wird, ist weiterhin völlig offen. Angesichts der Beteuerungen der Notenbanken fühlen sich deren Teilnehmer derzeit sicher – möglicherweise aber zu sicher. Denn die Zentralbanken haben historisch betrachtet eher eine schlechte Bilanz, was das Erkennen von Blasen oder Fehlentwicklungen an den Finanzmärkten angeht. Weder die Dotcom-Krise 1999 noch die US-Immobilienkrise wurden vorhergesehen, geschweige denn verhindert. Die Befürchtung, dass durch die unkonventionellen Maßnahmen noch größeres Ungemach an den Finanzmärkten droht, erscheint mir mehr als nachvollziehbar zu sein. Bis auf Weiteres gilt aber: Durch die Aktionen und Äußerungen der Notenbanken stehen Aktien- und Immobilieninvestoren unter „besonderem Schutz“ der Zentralbanken. Wer in Edelmetalle investiert, handelt nach deren Ansicht eher auf der „dunklen Seite der Macht“ – sollte sich von seinem legitimen Wunsch nach Vermögensschutz aber auf keinen Fall abbringen lassen. Den Sicherheitsanker Gold sollte man daher auf keinen Fall vergessen oder gar abschreiben, schließlich sah das gelbe Edelmetall schon viele Notenbank-Chefs und Währungen kommen – und auch gehen.
Ignorieren und Manipulieren
Dass es in den meisten Anlageklassen derzeit mehr oder weniger starke Manipulationen gibt, stellt kein Kapitalmarktexperte infrage. Japanische, US-amerikanische und europäische Notenbanker überfluten die Finanzmärkte mit Liquidität, um hoch verschuldeten Staaten niedrige Zinsen zu bescheren und ihre Zahlungsfähigkeit zu bewahren. Weil das Kapital aber weniger in die Realwirtschaft, sondern vor allem in die Aktien-, Immobilien- und Rentenmärkte fließt, dürfen sich deren Besitzer zwar reicher fühlen, so richtig investitions- oder konsumfreudig sind sie dadurch allerdings nicht geworden. Eine nachhaltige Konjunkturerholung und eine nennenswerte Inflation blieben bislang aus. Das Rezept der Notenbanker, auf Krisen stets mit Liquiditätshilfen zu reagieren, hat bislang funktioniert. Man darf aber gespannt sein, wie sie die nächste große Krise bewältigen möchten. Sollte diese – im Gegensatz zu den zahlreichen geopolitischen Krisen der Gegenwart – nicht mehr erfolgreich ignoriert werden, könnte der Glaube an die Allmacht der Zentralbanken nachlassen und eine nicht mehr beherrschbare Abwärtsspirale verursachen. Das Rezept niedrigerer Zinsen und eine weitere Liquiditätsflut könnten dann ins Leere laufen, zumal die „Währungshüter“ in den vergangenen Jahren ziemlich viel geldpolitische Munition bereits verschossen haben. So haben sie es zwar geschafft, Zinsen und Währungen (Beispiel: Schweizer Franken) auf ein gewolltes Niveau zu dirigieren, ob Gold und Silber sich auf Dauer nach unten drücken oder auf niedrigem Niveau halten lassen, darf bezweifelt werden. Langfristig dürfte dies nämlich ausgesprochen schwierig werden, da Gold und Silber nun einmal nicht beliebig vermehrbar sind. Dass bei Edelmetallen besonders gerne in den Preisfindungsmechanismus „eingegriffen“ wird, hat nicht nur der Gold-Crash im April 2013, sondern haben auch die Manipulationsvorwürfe beim Gold- und Silber-Fixing in diesem Jahr eindrucksvoll aufgezeigt. In dieses Bild passt auch die Tatsache, dass Banken, wie zum Beispiel Goldman Sachs, UBS und Credit Suisse, negative Analysen über Gold erstellen und zugleich ihr Gold-Exposure markant ausbauen.
Goldnachfrage hat sich nur verschoben
Dass Gold an grundsätzlicher Wertschätzung kaum verloren hat, kann pro aurum aus erster Hand bestätigen. Zwar ging es mit der Anzahl der Privatkundenorders unserer deutschen Niederlassungen im ersten Halbjahr gegenüber dem Vorjahr um rund 20 Prozent bergab, unsere Goldumsätze haben sich in diesem Zeitraum gegenüber dem vergleichbaren Vorjahresniveau jedoch nur leicht ermäßigt. Dies lag vor allem an der höheren Zahl von Einzelorders in Millionenhöhe, der deutlichen Umsatzsteigerung unserer Schweizer Niederlassung und nicht zuletzt am stark anziehenden Geschäft mit Banken, die Edelmetalle immer mehr in ihre Beratung integrieren. Mittlerweile kooperiert pro aurum mit 125 Kreditinstituten in den Bereichen Handel und Lagerung.
Diese Entwicklung kam jedoch nicht völlig überraschend. Bereits vor zwölf Monaten wies der World Gold Council (WGC) im Rahmen einer Studie auf eine latente Goldnachfrage deutscher Haushalte in Höhe von 24 Milliarden Euro hin. Dabei stellte man eine klare Präferenz für professionell verwahrtes physisches Gold fest. Dieses Tresorgold würden 80 Prozent der Anleger am liebsten über ihre Bank erwerben. Leider haben sich die meisten Banken bereits vor Jahren aus dem Geschäft mit Tresorgold verabschiedet. Bei der Entwicklung unserer Tresorgold-Plattform für Banken hat uns deshalb der WGC beraten und unterstützt.
Ein Must-Have-Safe-Haven für jeden Investor
Langer Rede kurzer Sinn: Zugegeben, Gold musste in diesem Jahr Federn lassen, aber angesichts der Geldpolitik der Notenbanken gehört Gold in jedes Portfolio. Ich sehe Gold als Währung, nicht als klassische Anlageklasse. Das Edelmetall ist eine Schutzwährung für den Fall, dass die Zentralbanken durch ihre Politik, die darauf ausgelegt ist, die Inflationsrate nach oben zu drücken, das Papiergeld ruinieren. Gold sollte man ins Portfolio beimischen, es aber nicht an Performance-Gesichtspunkten messen. Der große spekulative Verkaufsdruck sollte mittlerweile aus dem Markt sein – was in Bezug auf den Goldpreis für eine Bodenbildung sprechen würde. Es besteht also die Hoffnung, dass wir uns dem Ende der Korrekturphase nähern und in den kommenden Jahren neue Höchstkurse sehen.
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