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Ronald Stöferle: Ich sehe Gold bei 2.300 Dollar

Bei den von der Nachrichtenagentur Bloomberg geführten Goldanalysten gehört Ronald Stöferle, Partner und Investment-Manager bei der Incrementum Liechtenstein, zu den optimistischsten seiner Zunft. Mit ihm sprach pro aurum über negative Realzinsen, finanzielle Repression und natürlich über die weiteren Perspektiven des gelben Edelmetalls.


pro aurum: Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich hat die Höhe der globalen Schulden im März auf 100 Billionen Dollar taxiert. Das ist eine Zahl mit immerhin 14 Nullen. Wie viele weitere Nullen verkraftet Ihrer Meinung nach das globale Finanzsystem noch?

Ronald Stöferle:
Seit 1971, also nach der Abschaffung des Bretton-Wood-Abkommens, verdoppelt sich der Schuldenstand in etwa alle zehn Jahre. Grundsätzlich kann ich eine weitere Verdopplung nicht ausschließen. Wir wissen aber, dass exponentielles Schuldenwachstum nicht unbedingt die nachhaltigste Vorgehensweise sein kann. Schon heute sieht man, dass eine immer größere Dosis an Schulden benötigt wird, um einen positiven Effekt zu erzielen. Die Österreichische Schule der Nationalökonomie spricht hier vom „abnehmenden Grenznutzen“. Für mich steht fest, dass aufgrund der stark gestiegenen Schuldenniveaus die Abhängigkeit von (zu) niedrigen Zinsen immer größer wird. An den Markt werden dadurch die falschen Signale gesetzt und das System wird sukzessive fragiler. Selbst geringe Zinserhöhungen könnten in einer solch labilen Konstellation bereits fatale Auswirkungen haben. Daran erkennt man, dass wir uns derzeit vermutlich in der Endphase des seit über 40 Jahren herrschenden monetären Regimes befinden.


Mit einer deutschen Inflationsrate in Höhe von 1,2 Prozent fiel die Teuerung im Februar wenig beängstigend aus und scheint damit nicht sonderlich weit von einem Deflationsszenario entfernt zu sein. Letzteres wäre nicht nur für die Wirtschaft und die Bevölkerung, sondern auch für Gold tendenziell negativ. Wie hoch stufen Sie das Risiko einer nachhaltigen Deflationsphase ein?


Für mich als Verfechter der Österreichischen Schule der Nationalökonomie ist Deflation eigentlich etwas vollkommen Natürliches und etwas Gesundes. In unserem heutigen, fragilen Schuldgeldsystem ist Deflation das schlimmste Szenario, das Politik und Notenbanken meiden wie der Teufel das Weihwasser. Wenn ich massiv überschuldet bin – egal, ob als Staat, Unternehmen oder Privatperson – dann wünsche ich mir natürlich keineswegs Deflation. In der Eurozone fiel die Inflationsrate im Februar mit 0,7 Prozent schwächer als erwartet aus. Als die Teuerung letztmals so niedrig war, hat die EZB in einer Panikreaktion die Zinsen auf 0,25 Prozent gesenkt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Draghi auf die rückläufige Preisinflation reagieren wird, ist nun relativ groß. Deflation gibt es ohnehin bereits in Griechenland, Zypern, Portugal und der Slowakei – Irland und Spanien sind nicht weit davon entfernt. In diesen Krisenländern handelt es sich aber um eine natürliche Deflation, sozusagen eine Preisanpassung im System, die von vielen Menschen leider als große Gefahr gesehen wird. Das Mandat der EZB liegt aber darin, Inflation zu kreieren, wobei die „Komfortzone“ bei ca. zwei Prozent festgesetzt wurde. Da wir hiervon ziemlich weit entfernt sind, ist mit weiteren Maßnahmen der europäischen Notenbanker zu rechnen. Möglicherweise sehen wir demnächst ein europäisches Quantitative Easing. Vermutlich wird man aber einen anderen und vermutlich verwirrenden und sophistiziert klingenden Namen finden. Das Prinzip bleibt dasselbe. Derzeit liegt bereits eine massive Vermögenspreisinflation vor und normalerweise zündet danach die nächste Stufe, nämlich die Preisinflation. Unser selbst entwickeltes Modell zur Inflationsprognose geht übrigens erstmals seit 19 Monaten von einem Anziehen der Teuerung aus.

 


Bereits heute gelten aufgrund der negativen Realzinsen die Sparer als Verlierer, weil sich ihr Vermögen – bereinigt um die Inflation – Jahr für Jahr reduziert. Warum sollten Anleger auf keinen Fall auf Gold verzichten, obwohl dieses weder Zinsen noch Dividenden bietet und bei sicherer Verwahrung sogar zusätzliche Kosten verursacht?


Genau diese negativen Realzinsen sind ein starkes Argument für Gold. Denn, wenn ich stark positive Realzinsen hätte, dann wären für Goldanleger die Opportunitätskosten, die sich durch den Verzicht auf Rendite ergeben, recht hoch. In diesem Fall stünden dann die anderen Anlagealternativen attraktiver da. Ein solches Szenario herrschte zum Beispiel in den 80er- und 90er-Jahren und bekam dem gelben Edelmetall gar nicht gut. Angesichts der exorbitant hohen Schuldenberge sind stark positive Realzinsen derzeit nur schwer vorstellbar. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass wir in den kommenden Monaten bzw. Jahren deutlich positive Realzinsen sehen werden.


Das Problem der explodierenden Staatsschulden dürfte auf Dauer wohl kaum über die von der Niedrigzinspolitik der Notenbanken beabsichtigte schleichende Enteignung der Sparer in den Griff zu bekommen sein. Mit welchen Instrumenten der finanziellen Repression rechnen Sie hierzulande als Nächstes?


Ich gehe davon aus, dass uns die finanzielle Repression noch länger beschäftigen wird. Einige Instrumente sehen wir ja bereits heute. Diverse Regulierungsvorschriften für Banken und Versicherungen, um nur einige zu nennen, gehören zweifellos dazu. Eine direktere Kreditvergabepolitik kann ich mir in Zukunft gut vorstellen. Außerdem droht uns wahrscheinlich eine stärkere Regulierung des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs.


Wird der Staat die „Daumenschrauben“ in Form eines kontinuierlichen Prozesses oder mit einem „Paukenschlag“ anziehen?


Wohl eher Ersteres. Man wird meiner Meinung nach sukzessive versuchen, Geld in bestimmte Vermögensklassen zu dirigieren, wo es in einem liberaleren Marktumfeld wahrscheinlich nicht hinfließen würde – hier denke ich vor allem an Staatsanleihen. Das Thema „Zwangsanleihen“ und das Besitzverbot bestimmter Anlageklassen möchte ich dabei ebenfalls nicht ausschließen. Mein Rat: Man sollte mit Blick auf die Repression auf keinen Fall die Kreativität der politisch Verantwortlichen unterschätzen. Nur ein Beispiel: Um ein höheres Bruttoinlandsprodukt ausweisen zu können, berücksichtigt man in den USA bei dessen Ermittlung mittlerweile auch Ausgaben für Forschung und Entwicklung und verbessert dadurch das BIP, sodass die Schuldenlast in Relation zum BIP fällt. Eine ähnliche Kreativität kann man bei der Berechnung der Inflationsraten feststellen, wo die Zusammensetzung des Warenkorbs äußerst fragwürdig ist. Die zahlreichen kleinen Instrumente sollten daher nicht einzeln, sondern in der Summe betrachtet werden und jeden einzelnen Anleger und Staatsbürger sensibilisieren.


In einem Worst-Case-Szenario muss wohl auch ein theoretisch mögliches Verbot von privatem Goldbesitz diskutiert werden. Was würden Sie besorgten Goldfans in diesem Punkt auf den Weg geben?


Diese Gefahr sehe ich – zumindest im Moment – noch nicht. In der Vergangenheit wurde der private Goldbesitz meist verboten, wenn es goldgedeckte Währungen gab. Ich habe den Eindruck, dass in der westlichen Welt die Gold-Party noch gar nicht richtig begonnen hat, sondern wir lediglich eine diskrete Privatveranstaltung sehen. Ohne eine echte Goldmanie wird es wohl auch kein Goldverbot geben.


Es gibt ja bereits Vorschläge, große Vermögen über entsprechende Abgaben zur Bewältigung der Staatsschuldenkrise heranzuziehen. Da diese Klientel in besonders hohem Maße von der Rettung der globalen Finanzsysteme profitiert hat, scheint dieser Denkansatz durchaus nachvollziehbar zu sein. Wo sehen Sie bei dessen Umsetzung in die Praxis die größten Probleme?


Eine solche Maßnahme müsste sicherlich global abgestimmt sein. Sollte ein einzelnes Land dies versuchen, hätte dies wahrscheinlich keine Aussicht auf Erfolg. Aus Kreisen der Bundesbank war ja schon zu hören, dass künftig Bail-outs „out“ und Bail-ins „in“ sein werden. Soll heißen: Gläubiger und Sparer werden bei neuerlichen Rettungsaktionen stärker zur Rechenschaft gezogen. Generell denke ich dabei aber an den schönen Spruch: Kapital ist scheu wie ein Reh, und nicht zu vergessen – auch häufig auf der Jagd nach der attraktivsten Rendite. Ohnehin glaube ich, dass Vermögensabgaben das ganz große Kapital nicht betreffen werden. Wahrscheinlich wird es eher die Mittelschicht treffen.


Zum Schluss noch zwei Fragen, die vielen Investoren unter „den Nägeln brennen“ dürften: Werden wir die Dezembertiefs im Jahr 2014 wiedersehen oder gar unterschreiten und wie lautet Ihr Kursziel für das gelbe Edelmetall?


Ich gehe davon aus, dass der im vergangenen Jahr erlittene technische Schaden mittlerweile repariert ist. Bis Ende Juni halte ich einen Anstieg auf 1.480 Dollar durchaus für möglich. Außerdem bleibe ich auf lange Sicht meinem Kursziel von 2.300 Dollar treu, das ich seit 2007 kommuniziere. Schließlich sehen wir derzeit extreme monetäre Experimente, von denen niemand letztendlich weiß, wie sie ausgehen werden. Ich bin mir relativ sicher, dass uns die Phase der Goldeuphorie erst noch bevorsteht.


Und beim Blick nach unten, wird das gelbe Edelmetall noch einmal die Marke von 1.000 Dollar wiedersehen.


Nein, diese Gefahr sehe ich nicht.

 

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